Optimismus trotz Dauerstress: Wie Deutschlands junge Generation mit Krisen umgeht
Die junge Generation in Deutschland sieht sich mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert, von geopolitischen Konflikten bis zu wirtschaftlichen Unsicherheiten.
Trotz dieser Herausforderungen und anhaltenden Krisen blicken die meisten Jugendlichen überraschend optimistisch in die Zukunft.
Das belegen die Ergebnisse der aktuellen Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025“, die Einblicke in das Leben, die Ängste und Hoffnungen junger Menschen bietet.
Unterricht im Grünen und große Fragen zur Weltlage
Im Schulgarten und nicht im Klassenraum findet der Erdkundeunterricht der Klasse 10a am Gymnasium Norf in Neuss auf eine besondere Weise statt.
Die Atmosphäre ist entspannt, dennoch beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler ernsthaft mit einem komplexen Thema: Wie könnte es nach dem Krieg in der Ukraine weitergehen?
Der 16-jährige Anton Nobes äußert seine Nachdenklichkeit angesichts der politischen Veränderungen in Deutschland: „Wir haben gerade einen Regierungswechsel erlebt.
Ob die neue Regierung die vielfältigen Krisen bewältigen kann, bleibt abzuwarten. Es wird spannend zu beobachten sein.
“ Sein Sitznachbar Ben Liesenfeld zeigt sich besorgt über die politische Lage in den USA, insbesondere die Präsidentschaft von Donald Trump, den er als unberechenbar einschätzt.
Für die Schülerin Karla Kren ist ihr bevorstehender Schüleraustausch in den USA mit Unsicherheiten verbunden: „Ich habe ein bisschen Angst, wie das werden wird, wenn ich dort bin und welchen Einfluss das auf mich haben könnte.“
Diese Eindrücke spiegeln ein Stimmungsbild wider, das viele Jugendliche in Deutschland teilen: Eine Mischung aus Sorge, Skepsis, aber auch einem gewissen Engagement für die Gestaltung der Zukunft.
Dauerkrisenmodus als Realität – psychische Belastungen hoch
Die Studie „Jugend in Deutschland 2025“ zeigt, dass junge Menschen in Deutschland nach wie vor von einem „Dauerkrisenmodus“ geprägt sind.
Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten belasten 62 Prozent der Befragten am stärksten.
Wirtschaftliche Sorgen wie Inflation werden von 57 Prozent genannt, 48 Prozent beklagen hohen oder knappen Wohnraum und ebenso viele fürchten eine gesellschaftliche Spaltung.
Der Klimawandel beunruhigt 47 Prozent der Jugendlichen.
Diese Belastungen zeigen sich auch in psychischen Symptomen: Fast die Hälfte der Befragten berichtet von Stress, ein Drittel fühlt sich erschöpft.
Erschreckend ist, dass knapp ein Viertel angibt, eine Behandlung wegen psychischer Probleme zu benötigen.
Kilian Hampel, Mitautor der Studie, fasst zusammen: „Das hohe Niveau an psychischen Belastungen ist ein deutliches Zeichen dafür, dass junge Menschen heute mit großen Herausforderungen umgehen müssen.“
Vertrauensverlust in das politische System
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Erosion des Vertrauens junger Menschen in die etablierten politischen Parteien und Institutionen.
Viele fühlen sich von der Politik nicht mehr vertreten und wenden sich – oft aus Enttäuschung und nicht aus Gleichgültigkeit – zunehmend alternativen oder radikalen Gruppen zu.
Hampel erläutert: „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben bei vielen Jugendlichen den Eindruck hinterlassen, dass ihre Sorgen nicht ernst genommen werden – obwohl seit Jahren alarmiert wird.“
Die politische Landschaft ist dadurch zunehmend fragmentiert und polarisiert, was sich auch in Wahlergebnissen widerspiegelt.
Diese Entwicklung stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Demokratie dar und unterstreicht die Notwendigkeit, den politischen Diskurs wieder näher an die Lebensrealitäten junger Menschen heranzuführen.
Solidarität und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Älteren
Trotz aller Skepsis zeigt die junge Generation auch eine bemerkenswerte Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – insbesondere in der Frage der Altersvorsorge.
Eine Mehrheit akzeptiert höhere Beiträge zur Rentenversicherung, um die Versorgung der älteren Generationen sicherzustellen.
Studienleiter Simon Schnetzer hebt hervor: „Die junge Generation ist solidarisch gegenüber den Älteren, leistungsbereit und orientiert sich an traditionellen Tugenden.“
44 Prozent der Befragten fühlen sich mitverantwortlich für die Finanzierung der Renten, während nur ein Viertel dies ablehnt.
Gleichzeitig lehnen 65 Prozent eine Anhebung des Renteneintrittsalters ab, und 74 Prozent sprechen sich gegen eine Senkung des Rentenniveaus aus.
Stattdessen erwarten viele junge Menschen eine Ausweitung der staatlichen Zuschüsse und einen Generationenvertrag, der fair ist und klare Perspektiven für die Zukunft bietet.
Arbeitsethos und Umgang mit Belastung
Die Studie räumt zudem mit dem Vorurteil auf, junge Menschen seien faul oder wenig leistungsbereit.
Tatsächlich sind 81 Prozent der Befragten in Vollzeitjobs tätig – ein deutlich höherer Anteil als in älteren Generationen.
Doch das traditionelle Bild vom „Schuften in jungen Jahren“ zur Sicherung eines späteren Lebensstandards verliert an Bedeutung.
Viele Jugendliche sind sich unsicher, wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen wird, und reagieren mit einer bewussten Reduktion ihrer Belastung.
Kilian Hampel erklärt diesen Wandel: „Was oft als Faulheit missverstanden wird, ist in Wirklichkeit Selbstschutz – der Versuch, Überlastung zu vermeiden.
Angesichts hoher psychischer Belastungen ist es verständlich, dass viele junge Menschen keine zusätzlichen Stressfaktoren akzeptieren.“
Chancen und Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz
Digitalisierung ist im Alltag der Jugendlichen längst angekommen – im Gymnasium Norf in Neuss etwa arbeiten Schülerinnen und Schüler mit Tablets, was vieles erleichtert.
Gleichzeitig sehen sie die Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz (KI) ambivalent.
Luis Süßmuth, Schüler der 10a, bringt es auf den Punkt: „KI bietet großes Potenzial für Innovation und Fortschritt, aber wir müssen lernen, verantwortungsbewusst damit umzugehen.
Nur so können wir die Kontrolle behalten und KI zum Vorteil aller einsetzen.“
Diese Haltung zeigt, dass die junge Generation einerseits offen für technische Neuerungen ist, andererseits aber auch die Risiken und ethischen Fragen nicht ausblendet.
Optimismus trotz Unsicherheiten
Trotz der Vielzahl an Belastungen blicken 60 Prozent der Jugendlichen optimistisch in die Zukunft – ein Lichtblick in einer von Krisen geprägten Zeit.
Anton Nobes reflektiert seine beruflichen Perspektiven: „Ich frage mich, wie die Arbeitswelt in 15 Jahren aussehen wird.
Ob es die Berufe, die mich jetzt interessieren, dann überhaupt noch geben wird.
Es ist schwer, das einzuschätzen.“ Diese Unsicherheit schwingt bei vielen mit, doch der Grundton bleibt hoffnungsvoll.
Dieser Optimismus zeigt, dass die junge Generation trotz Stress und Belastungen nicht resigniert, sondern den Willen hat, ihre Zukunft aktiv zu gestalten.
Fazit: Eine Generation im Spannungsfeld von Krise und Hoffnung
Die Ergebnisse der Studie „Jugend in Deutschland 2025“ zeichnen das Bild einer jungen Generation, die in einer Welt voller Herausforderungen lebt – geopolitische Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheiten, Klimakrise und gesellschaftliche Spaltungen setzen sie unter Druck.
Psychische Belastungen und ein bröckelndes Vertrauen in die Politik machen die Lage komplex.
Doch zugleich zeigen die Jugendlichen eine bemerkenswerte Resilienz: Sie übernehmen Verantwortung, sind solidarisch und bewahren sich trotz allem eine positive Haltung.
Die Auseinandersetzung mit digitalen Technologien und insbesondere der KI verdeutlicht ihre Offenheit für Innovation und ihren Wunsch nach einem ethischen Umgang mit der Zukunft.
Für Politik, Gesellschaft und Bildungseinrichtungen bedeutet das: Junge Menschen brauchen nicht nur Schutz und Unterstützung, sondern auch echte Beteiligung und Perspektiven.
Nur so kann ihr Optimismus erhalten und in konkrete positive Entwicklungen für die Gesellschaft übersetzt werden.