BIKO 2025: ALARMSTUFE ROT IN DER BILDUNG – WIE DEUTSCHLAND SEINE KINDER IM JAHR 2025 VERNACHLÄSSIGT

Einleitung
Deutschland steht im Jahr 2025 vor einer tiefgreifenden bildungspolitischen Krise, wie auf der renommierten Bildungskonferenz BIKO 2025 in Heilbronn deutlich wurde.
Unter dem Eindruck einer alternden Gesellschaft und zunehmender sozialer Disparitäten schlugen Wissenschaftler wie Prof. Sebastian Kurtenbach Alarm.
Kinder und Jugendliche geraten zunehmend ins Abseits, während politische Prioritäten in andere Bereiche wie das Rentensystem verschoben werden.
In einem leidenschaftlichen Appell forderten Experten nicht nur eine neue Haltung, sondern auch tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der deutschen Bildungslandschaft.
Eine Gesellschaft im Ungleichgewicht
Laut Prof. Kurtenbach, Politikwissenschaftler an der FH Münster, herrscht in Deutschland eine dreifache Schieflage: demografisch, demokratisch und sozialstaatlich.
Die Zahl der älteren Menschen übersteigt die der Kinder deutlich, was sich auch in den politischen Entscheidungen widerspiegelt.
Das Bildungssystem scheint zunehmend überfordert und vernachlässt insbesondere Jugendliche, die ohne Schulabschluss in eine perspektivlose Zukunft entlassen werden.
Etwa 50.000 junge Menschen pro Jahr seien betroffen – ein alarmierendes Zeichen für ein Land, das seine Zukunftsfähigkeit sichern möchte.
Diese demografische Schieflage wird durch eine demokratische Verzerrung verschärft: Der Einfluss älterer Generationen auf politische Entscheidungen nimmt zu, während die Bedürfnisse jüngerer Bevölkerungsgruppen zu wenig berücksichtigt werden.
In einem Land, in dem bis Ende des Jahrzehnts die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler im Rentenalter sein wird, droht ein zunehmendes Ungleichgewicht in der Ressourcenverteilung.
BIKO 2025: Eine Plattform für Lösungen und Visionen
Die Bildungskonferenz BIKO 2025, veranstaltet von der Akademie für Innovative Bildung und Management (aim), versammelte über 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie knapp 100 Fachreferierende aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis. Das Ziel: Die Bildungslandschaft Deutschlands zu analysieren und gemeinsam Zukunftsstrategien zu entwickeln.
Der Ort der Veranstaltung, der Bildungscampus Heilbronn, unterstützt von der Dieter Schwarz Stiftung, wurde zum Symbol für die Chancen eines modernen Bildungssystems.
Der Bildungscampus mit seinen 16 Institutionen zeigt, wie eine konzentrierte Investition in Bildungseinrichtungen sowohl regionale als auch überregionale Innovationskraft freisetzen kann.
In einer Zeit, in der Bildungseinrichtungen zunehmend unter Druck stehen, bietet dieser Campus ein Modell dafür, wie Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und organisiert werden kann.
👤 Sprecher/in | 🎯 Schwerpunkt des Vortrags |
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Micha Palesche | Betonte die Relevanz fachübergreifenden Lernens und forderte ein realitätsnahes Schulsystem. |
Prof. Uta Hauk-Thum | Analysierte Transformationen in Schulen im digitalen und gesellschaftlichen Wandel. |
Patrick Bronner | Teilte Erfahrungen zur projektbasierten Arbeit mit KI im Schulalltag. |
Alexandra Braun | Erklärte, wie Teamgeist und gemeinsame Verantwortung im Kollegium gefördert werden können. |
Diese Vorträge stellten nicht nur Problembeschreibungen in den Fokus, sondern auch konkrete Ansätze zur Lösung.
In Workshops wurden neue Unterrichtsmethoden diskutiert, Best-Practice-Beispiele ausgetauscht und innovative Konzepte zur Lehrerbildung vorgestellt.
Demografischer Wandel als Bildungsrisiko
Prof. Kurtenbach betonte in seiner Keynote, dass junge Menschen ein Deutschland erleben, das kaum noch verlässlich erscheint: Geflüchtetenkrisen, pandemiebedingte Schulschließungen und neue globale Konflikte wie der Ukrainekrieg hätten das Bildungssystem mehrfach belastet.
Hinzu komme eine politische Debatte über die Wehrpflicht, die an der Lebensrealität junger Menschen vorbeigehe. Bildung als Aufstiegsversprechen sei zur Worthülse verkommen.
Bildungsprobleme als Minderheitenthema?
Kurtenbach verwies darauf, dass Bildungsprobleme zunehmend wie Randthemen behandelt würden.
Die drastischen Ergebnisse der letzten PISA-Studie verschwanden binnen Tagen aus den Schlagzeilen – ein Symptom dafür, dass Eltern keine Mehrheitsgruppe mehr darstellen.
Bildungsfragen verlieren an politischem Gewicht.
Hinzu kommt, dass die Stimmen junger Menschen in politischen Entscheidungsprozessen kaum Gehör finden.
Beteiligungsformate wie Jugendparlamente oder Bildungsbeiräte sind oft marginalisiert oder lediglich symbolisch eingebunden.
Dadurch verstärkt sich der Eindruck, dass Bildung nicht als zukunftsentscheidend betrachtet wird.
Pluralität der Kindheit – ein System unter Druck
“Es gibt nicht mehr die Kindheit”, erklärte Kurtenbach. Unterschiedliche familiäre Hintergründe, Migrationserfahrungen, sprachliche Realitäten und soziale Kontexte forderten ein Bildungssystem, das auf Individualität eingeht.
Schulen der alten Prägung könnten diesen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.
Auch der Zugang zu digitalen Ressourcen, Lernmaterialien oder kultureller Teilhabe sei stark von der sozialen Herkunft abhängig.
Ein Kind in einer Großstadt mit akademischem Elternhaus erfährt eine völlig andere Bildungserfahrung als ein Kind im ländlichen Raum ohne Internetzugang.
Diese Unterschiede müssen sichtbar gemacht und kompensiert werden.
Sozialräumliche Öffnung von Schulen als Lösung
Ein Lösungsvorschlag: Schulen sollen zu Ankerpunkten im Sozialraum werden. Hier könnten nicht nur Unterricht stattfinden, sondern auch Vereinsarbeit, soziale Dienste und Homeoffice-Angebote für Eltern integriert werden.
Besonders betonte Kurtenbach das Potenzial der Großelterngeneration: Bereits 10 Prozent ehrenamtliches Engagement unter ihnen würde das aktuelle Bildungspersonal in Zahlen übertreffen.
Die Idee einer „Community School“, wie sie in anderen Ländern bereits etabliert ist, soll auch in Deutschland ernsthaft geprüft werden.
Hier werden Schulen zu Orten gelebter Nachbarschaft, an denen Gesundheitsdienste, Elternberatung und Freizeitangebote integriert sind.
Paradigmenwechsel gefordert
Prof. Anne Sliwka stellte die These auf, dass ohne grundlegenden Wandel des Schulsystems keine nachhaltigen Verbesserungen erzielt werden könnten.
Ein lernendes System müsse an die Stelle eines verwaltenden treten.
Internationale Beispiele zeigten, dass datenbasierte Steuerung zentral sei, um Probleme nicht nur zu erkennen, sondern auch zu lösen.
Daten nutzen, aber richtig
Zwar werden auch in Deutschland zahlreiche Leistungsdaten erhoben – PISA, IGLU, IQB, VERA – jedoch würden diese kaum strategisch genutzt.
Ohne konkrete Zielsetzungen verkomme jede Datenerhebung zur Symbolpolitik. Politische Maßnahmen – wie Sprach-Kitas – werden oft eingeführt und wieder gestrichen, ohne nachhaltige Wirkung.
Ein weiteres Problem: Die Datenverarbeitung erfolgt oft analog oder in inkompatiblen Systemen. Digitale Infrastruktur für Schulen muss verbessert werden, damit datenbasierte Steuerung überhaupt möglich ist.
Zielgerichtete Ressourcenverteilung
Sliwka betonte: “Das Geld muss dahin fließen, wo das Problem ist.” Bildungsdaten könnten gezielt genutzt werden, um Ressourcen dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
Nur so ließen sich Herausforderungen wie geschlechterspezifische Leseschwächen oder Schulabbrüche wirksam bekämpfen.
Früherkennung durch digitale Systeme
Wenn Lehrkräfte Zugriff auf gut aufbereitete Schülerdaten hätten, könnten Warnsignale wie plötzlicher Leistungsabfall, familiäre Krisen oder auffälliges Verhalten frühzeitig erkannt werden. Vertrauenspersonen innerhalb der Schule könnten dann gezielte Interventionen einleiten und so Schulabbrüche verhindern.
Ein Beispiel: In einem Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen wurden Schulsozialarbeiter mit digitalen Tools ausgestattet, die automatisierte Hinweise auf Risikofaktoren gaben.
Das Resultat: deutlich weniger Schulabbrüche innerhalb von zwei Jahren.
Fazit: Hoffnung trotz Krise
Trotz aller Herausforderungen wurde auf der BIKO 2025 auch Zuversicht verbreitet. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Bildungspraxis und Gesellschaft war deutlich spürbar.
Es zeigte sich: Wenn Ressourcen intelligent eingesetzt und Schulen als soziale Drehscheiben verstanden werden, ist ein zukunftsfähiges Bildungssystem in Deutschland möglich.
Doch dafür braucht es politischen Willen, gesellschaftliches Umdenken und konkrete Maßnahmen. Die Kinder von heute dürfen nicht weiter vergessen werden – das war die eindringliche Botschaft der Konferenz.